Wer sich Einblick in ein System verschaffen will, sucht am besten das direkte Gespräch mit bestehenden Partnern. Eine wohlüberlegte Strategie erleichtert das Interview.
von Dr. Silvia Heimeran-Emans
“Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.” Nach diesem altbewährten Grundsatz sollten auch Franchiseinteressenten verfahren, die bei ihrer Systemauswahl auf Nummer sicher gehen wollen. Es empfiehlt sich, nach intensivem Studium der vom Franchisegeber gelieferten Unterlagen und ersten persönlichen Gesprächen in der Systemzentrale auch die Praktiker vor Ort zu befragen. Die Ansprechpartner und ihre Adressen nennt der Franchisegeber – sofern er Interesse an einer künftigen Zusammenarbeit hat. Sträubt sich der Franchisegeber, besteht Anlass zu großer Skepsis. Händigt der Franchisegeber Ihnen, wie zu erwarten, die Liste der bestehenden Franchisenehmer aus, sollte diese nicht nur die Namen der besonders erfolgreichen Partner umfassen. Gerade Franchisepartner, die mit Problemen kämpfen oder sogar aus dem System ausgeschieden sind, können wichtige Hinweise auf Schwachstellen im Unternehmen geben.
Die Basis für das telefonische Interview liefert ein detaillierter Fragebogen, der von den Startbedingungen des Gesprächspartner über den Geschäftsverlauf bis zur Betriebsführung keinen Aspekt außer Acht lassen sollte. Welche Einzelpunkte dabei zu berücksichtigen sind, lesen Sie weiter unten.
Gewiss kostet es Überwindung, Fremde einer derart intensiven Befragung zu unterziehen. Aber, um sich Klarheit über den “status quo” des Franchise-Systems zu verschaffen, sind detaillierte Befragungen unumgänglich. Mit dem Verständnis der potentiellen Systemkollegen kann man in jedem Fall rechnen: Ihnen ist ein kritischer neuer Partner im Zweifel lieber als ein Einsteiger, der die Mühe des Hinterfragens scheut.
Erfahrungen am Hörer sammeln
Während der Franchisekandidat seine Interviews durchführt, sollte er tunlichst die zu erwartende Telefonrechnung vergessen. Eine Telefonrechnung ist schnell verschmerzt – eine berufliche Bauchlandung hingegen hat gravierende Folgen. Die telefonische Befragung beginnt man am Besten mit den bislang weniger erfolgreichen Franchisenehmern. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse lassen sich dann in den folgenden Gesprächen eingehender durchleuchten.
Zu Beginn des Interviews sollte man den Gesprächspartner fragen, ob der Zeitpunkt für ihn günstig ist. Wichtig ist auch, dem Interviewpartner absolute Vertraulichkeit zuzusichern. Um alle Aussagen später sinnvoll gewichten zu können, empfiehlt es sich, Telefoninterviews und persönliche Gespräche schriftlich festzuhalten. Nach den ersten Interviews folgt die Überarbeitung des Fragebogens, falls sich einige Punkte als unzweckmäßig erweisen.
Einzelne Aspekte zusammenfügen
Nach Abschluss aller Gespräche ist ein erstes Resümee fällig. Der Franchiselandidat weiß nun nicht nur, ob der Systemgeber hält, was er verspricht. Er weiß auch, ob er selbst in das System “passt” bzw. er sich mit der Unternehmensstruktur identifizieren kann.
Jetzt hat er ein Gefühl dafür, mit welchem Kaliber an Partnern sich der Franchisegeber umgibt. Hat er eine starke Gruppe konstruktiv-kritischer Partner, die den Systemaufbau nachhaltig unterstützen, oder eine Mannschaften von “JA-Sagern”, die keinen wesentlichen Beitrag zur Stärkung des Systems leisten können?
Wer jetzt erkennt, dass das zunächst so aussichtsreich erscheinende Franchisekonzept am Markt chancenlos ist oder dass ihm die “Systemkultur” nicht liegt, sollte dem Franchisegeber seine Absage erläutern, natürlich ohne die Vertraulichkeitszusage gegenüber dem Interviewpartner zu verletzen.
Ist das System für den Franchiseaspiranten weiterhin interessant, legt er fest, welche Partner er persönlich besucht, um den Kontakt zu vertiefen und um Fragen zum täglichen Arbeitsablauf zu stellen.
Sind alle Gespräche abgeschlossen, wird der Franchisekandidat die Entscheidung für oder gegen einen Einstieg mit sicherem Gefühl treffen. Sollte er sich dagegen entscheiden, haben sich die Recherchen in jedem Fall gelohnt: Er weiß, wie man Interviews mit Systempartnern führt – eine Erfahrung, die ihm bei der weiteren Auswahl zweifellos zustatten kommt.
Auf den Zahn gefühlt
Das Interview mit dem bestehenden Franchisenehmern muss die nachfolgenden Aspekte abdecken:
- Wie lange gehört der betreffende Franchisenehmer zum System?
- Welche beruflichen und finanziellen Voraussetzungen brachte er mit?
- Ist sein Franchisebetrieb “typisch” -hinsichtlich der Lage, saisonaler Schwankungen, der Öffnungszeiten- für das System?
- Welche konkurrierenden Konzepte hat er intensiv untersucht und mit welchem Ergebnis?
- Aus welchen Gründen hat er sich für dieses System entschieden?
- Wie kompetent und kooperativ sind die Mitarbeiter in der Zentrale? Wie lange arbeiten sie schon für das System?
- Wie gut war die Unterstützung des Franchisegebers in der Vorbereitungsphase?
- Wie zufrieden ist er mit der laufenden Unterstützung?
- Verfügt der Franchisegeber über genügend finanzielle Mittel, um das System konkurrenzfähig zu halten?
- Nimmt der Franchisegeber die ihm obliegenden zentralen Funktionen (zum Beispiel überregionale Werbung, Schulung) wahr, oder wälzt er sie auf die Franchisenehmer ab?
- Sind die finanziellen Vorhersagen des Systemgebers realistisch? Werden auch kalkulatorische Größen (Unternehmerlohn, Eigenkapitalverzinsung et cetera) hinreichend berücksichtigt?
- Wie ist die Geschäftsentwicklung des Franchisenehmers?
- Was sind die wesentlichen Probleme des Systems?
- Wie ist die Stimmung im System, und wie ist der Kontakt zu den Kollegen?
- Ist die Eintrittsgebühr in das System der Höhe nach gerechtfertigt? Wurde die Höhe der Gebühr verhandelt?
- Wurde der Franchisevertrag einem Fachanwalt vorgelegt, und welche Änderungen wurden vorgenommen?
- Würde der Franchisenehmer, wieder vor die Wahl gestellt, dem System erneut beitreten?
- Mit welchen anderen Franchisenehmern kann man ein offene Gespräch führen?
Dr. Silvia Heimeran-Emans ist Franchiseberaterin und ehemalige Franchisenehmerin von “The Body Shop”.