Systemgastronomie

Gastronomie mit System
Bochum, New York, Rio, Tokio – verschiedene Regionen, unterschiedliche Kulturen und Sprachen. Doch wer durch die Welt reist, kann sich heute trotzdem immer häufiger wie zu Hause fühlen. Fastfood-Ketten und Cafés bieten rund um den Globus ihre Dienste an. Auch wenn Zutaten und Geschmack gelegentlich angepasst werden müssen, kann sich der Weltenbummler auf zwei Dinge verlassen: Er findet das vertraute Restaurant auch in der fremdesten Stadt und wird in derselben Art bedient wie in der Heimat. Willkommen in der Welt der Systemgastronomie.

Dem Begriff Systemgastronomie tut man jedoch unrecht, wenn man ihn ausschließlich mit Fastfood und dem „American Way of Life“ gleichsetzt. Dort, in den USA, wurde zwar das Konzept entwickelt: Das 1921 gegründete Unternehmen „White Castle“ gilt als erste systematisch betriebene Restaurantkette. Und sie wurde zum Vorbild für nahezu alle Fastfood-Ketten der Welt. Die Idee dahinter basiert jedoch auf dem Filialensystem des Einzelhandels.

In Deutschland wurde die Systemgastronomie nicht mit amerikanischen Burgern, sondern mit deutschen Brathähnchen eingeführt. Sechzehn Jahre vor der Eröffnung der ersten deutschen McDonald’s-Filiale in München gründete Friedrich Jahn 1955 dort den „Wienerwald“ und baute sein Unternehmen rasch zur erfolgreichsten europäischen Fastfood-Kette aus. 1978 betrieb der „Wienerwald“ weltweit rund 1.600 Restaurants und beschäftigte fast 30.000 Mitarbeiter. Heute ist von diesen Glanzzeiten zwar nur noch wenig übrig, dennoch verdeutlicht das Beispiel eine große Stärke der Systemgastronomie: Durch das einheitliche Erscheinungsbild und die vielfache Präsenz entstand eine Marke, die auch heute noch jeder kennt. Ebenfalls entstand in den 1960er Jahren übrigens auch der Kochlöffel – ein weiterer Pionier der Systemgastronomie in Deutschland. Auch wenn die Systemgastronomie häufig vor allem mit Fastfood in Verbindung gebracht wird, umfasst die eigentliche Definition weit mehr. Denn mit Systemgastronomie wird eine Form der Gastronomie – in all ihren Facetten – bezeichnet, die sich im Wesentlichen durch die Existenz von bestimmten standardisierten und vereinheitlichten Organisationsstrukturen auszeichnet und sich dadurch von der „klassischen“ Gastronomie unterscheidet. Mit Systemgastronomie werden also die einheitlich organisierten und optimierten Arbeitsabläufe an verschiedenen Standorten eines gastronomischen Betriebes mit mehr als drei Filialen bezeichnet, die über eine bestimmte Region verteilt sind. Bei größeren Ketten können diese Regionen selbstverständlich auch Länder und Kontinente umfassen. Die Steuerung aller Einzelbetriebe erfolgt immer strikt hierarchisch und von einer Zentrale aus.

Starke Marken dank Vervielfältigung
Die Betriebsleiter setzen vor Ort die vorgegebenen Standards in dem von ihnen geführten Restaurant um. Handbücher, in denen die Arbeitsabläufe dokumentiert und erklärt werden, sichern die einheitliche Handhabung. Der Gast soll in jeder Filiale die gleiche Produktpalette in gleich bleibender Qualität erwarten können. Auch im Service gleichen sich die Betriebe einer Kette. Damit wird das angebotene Produkt stärker mit dem Unternehmen verknüpft. Zudem gilt das Motto: „Einmal gedacht, hundertmal gemacht“.

Neben der Bildung einer starken Marke hat die Systemgastronomie noch weitere Vorteile, vor allem im kaufmännischen Bereich. Durch standardisierte Einrichtungselemente in den verschiedenen Betrieben einer Kette werden – zum Teil erhebliche – Spareffekte erzielt. Auch die einheitliche Sortimentsführung bietet deutliche Vorteile:
Durch den zentralen Einkauf in großen Mengen können die Kosten für die Rohstoffe gesenkt werden; gleichzeitig wird eine gleichmäßige Qualität gesichert. Das Unternehmen wird so in Qualität und Preis für den Kunden berechenbar. Und das wiederum trägt zum Image der Marke bei.

Die Vorteile haben dazu geführt, dass sich die systematische Führung von Restaurantketten längst nicht mehr auf den Fastfood-Sektor beschränkt. Das Konzept ist vielmehr zum anerkannten Baustein in der gesamten Gastronomie aufgestiegen und seit fast zehn Jahren Ausbildungsberuf. Über 20 Prozent des gesamten Umsatzes der Branche werden inzwischen in der Systemgastronomie erwirtschaftet. Und der Blick über den großen Teich macht schnell klar, dass das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist: In den USA werden mittlerweile 70 Prozent aller Restaurants, Cafés und Bars als Systemgastronomie geführt. Beste Aussichten also für Existenzgründer, da systemgastronomische Ketten vielfach als Franchise-Systeme betrieben werden.

Schnellrestaurants und mehr
Neben dem bekanntesten und umsatzstärksten Segment der Schnellrestaurants gibt es zahlreiche Fullservice-Restaurants, denen man das Filialkonzept auf den ersten Blick nicht ansieht. Sie sind der klassischen Gastronomie mit ihrer Tischbedienung, normalen Bestell- und Bedienzeiten und einer langen Verweildauer des Gastes sehr ähnlich. Doch für die internen Abläufe nutzen zum Beispiel auch bekannte Steakhaus-Ketten, Cafés und Restaurants die Standardisierung, um wiederkehrende Arbeitsabläufe zu optimieren. Auch an speziellen Standorten, etwa an Raststätten, in Kaufhäusern und in Freizeitparks wird Systemgastronomie heute erfolgreich eingesetzt.

Auch die Vorbehalte der Traditionalisten scheinen zu schwinden. Wie sonst ist es zu erklären, dass auch angesehene Spitzenköche heute nicht mehr nur in einem einzigen Restaurant tätig sind? Um die Qualität an mehreren Standorten zu garantieren, greifen sie auf Elemente der Systemgastronomie zurück. Die Systemgastronomen selbst sind heutzutage Fachleute auf allen wichtigen Gebieten moderner Gastlichkeit. Sie beherrschen den freundlichen Umgang mit Kunden ebenso wie Marketing, Personalplanung und Warenwirtschaft.

Kurz: Der Systemgastronomie gehört die Zukunft.

Quelle: Gründung & Franchising 2007/2008; Erfolgreich Selbstständig; BusinessVillage Verlag; ISBN-13:978-3-938358-65-8

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